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Samstag, 25. November 2017

Stoppt Fakenews und Wutbürger: Mimikama ist ein Segen!

Zeitungsschnipsel von 2012


Clickbait ist eine Krankheit! Es werden nur noch Schlagzeilen gelesen. Fakenews werden unreflektiert geteilt, echte Nachrichten mit fragwürdigem Hintergrund oder ohne weiterführende Infos ebenfalls. Warum? Um auch als Normalbürger auf der Welle der Empörung mitschwimmen und ein paar Likes in seiner Faceboock-Timeline abfassen zu können. Alles unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung. Logische Argumente und fundierte Quellen werden bewusst ignoriert. Das ist Medienmissbrauch pur. Dumme Menschen widern mich an!





Aktuell geistert ein uralter Zeitungsschnipsel durch die sozialen Medien und wird wieder und wieder und wieder geteilt. Mit folgender Aufforderung: "Falls noch jemand der Meinung ist das hier was falsch läuft, darf den Artikel gerne teilen!" Da kein Datum auf dem Screenshot steht, könnte man meinen, dass es sich um eine aktuelle Meldung handelt. Dem ist nicht so. Der Fall stammt nachweislich aus 2012 und ist somit uralt. Weil die Welt ein Dorf ist und der Fall des laut Gesetz einfachen bis schweren Kindesmissbrauches in meiner Heimatstadt Gera verhandelt wurde, betrifft mich die Sache irgendwie persönlich, wenn FB-Kontakte diesen Unfug rauskramen, um auf einer künstlich geschürten Empörungswelle zu reiten.

Hierzu hat Mimikama ausführlich recherchiert und die zuständige Richterin am Landgericht Gera zur Rede gestellt:

Wo kommt der Artikel her?

Das fragen wir uns auch. Fest steht nur, dass der Artikel in einer Zeitung stand und sogar noch älter ist, als angenommen: Bereits im Oktober 2012 wurde der Artikel von einem anderen User veröffentlicht und ca. 70.000x geteilt. Gefaked ist er jedoch nicht.
Eine Bewährungsstrafe für Kindesmissbrauch ist sicherlich ein Aufreger, doch wie begründet sich das augenscheinlich milde Urteil?
In der Zeitungsmeldung heißt es:
20-jähriger erhält Bewährungsstrafe
Gera. Das Landgericht Gera hat gestern einen 20-jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 103 Fällen und sexuellen Missbrauchs von Kindern in 62 Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Angeklagte hatte in der gestrigen Hauptverhandlung die Taten, die im Landkreis Greiz begangen wurden, gestanden und damit den beiden Opfern eine Aussage vor Gericht erspart, wie das Landgericht mitteilte. Seine Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, mit der Auflage, 240 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten. Jeglicher Umgang mit Kindern ist ihm untersagt.

Warum so ein mildes Urteil?

Aus dem kurzen Artikel sind unmöglich die Umstände, welche zu dem milden Urteil führten, herauszulesen. Das störte wohl auch den Juristen Heinrich Schmitz, der auf der Webseite „The European“ davon berichtet, wie er bei der Mediensprecherin des Landgerichts Gera, Frau Richterin am Landgericht Andrea Höfs, einfach mal nachfragte, wie es dazu kam.

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Warum Jugendstrafe für einen 20-Jährigen?

Laut Höfs war der Angeklagte zum Zeitpunkt der Taten zwischen 17 und 20 Jahren alt. Somit muss er zwingend nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, da er zu Beginn der Taten noch keine 18, und somit noch Jugendlicher war.

Trotzdem… er war doch die längste Zeit während den Taten volljährig?

Höfs sagte dazu, dass der Angeklagte „erhebliche Entwicklungs- und Reifedefizite aufwies (psychiatrische Behandlungen im Kindesalter wegen Verhaltensauffälligkeiten; erhebliche Schwierigkeiten in der Schule). Somit muss er gemäß §105 JGG im Alter von 18-20 Jahren nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden, da durch die Reifeverzögerung sein Charakter eher einem Jugendlichen als einem Erwachsenen gleicht.

Wer waren die Opfer und was genau hat der Täter gemacht?

Aufgrund des Schutzes der Beteiligten durfte Höfs verständlicherweise dazu keine näheren Angaben machen, sagte dazu aber aus, dass die Tatopfer zwei minderjährige Jungen gewesen seien, zu denen der Täter anfangs ein freundschaftliches Verhältnis gehabt hätte. Bei den Tathandlungen selber handelte es sich nicht um Vergewaltigungen im klassischen Sinne.
Somit ist auszuschließen, dass es sich um Taten handelte, welche mit Gewaltanwendung stattfanden.

Aber der macht doch sowas bestimmt wieder… oder?

Die psychiatrischen Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte „intellektuell minderbegabt“ sei, aber voll schuldfähig. Eine krankhafte seelische Störung läge bei ihm nicht vor. Somit ist er zwar nicht unbedingt die hellste Kerze im Leuchter, aber auch kein krankhafter Pädophiler, bei dem man Wiederholungstaten befürchten müsse.

Weitere Argumente für das milde Urteil

Das Gericht sah es zu Gunsten des Angeklagten, dass er bis zu jenem Zeitpunkt straffrei lebte und die Taten nicht abstritt. Durch sein volles Geständnis ersparte er den Kindern auch eine Aussage vor Gericht.
Gerade bei Jugendstrafen muss sehr genau zwischen Strafe und Erziehung abgewägt werden, um einer heranwachsenden Person auch nicht die Zukunft komplett zu verbauen.

Jaa jaa, schützt ihr nur den Täter! Und was ist mit den Opfern?

Auch an die wurde gedacht. Der körperliche und seelische Schaden, der durch sexuellen Missbrauch bei den Opfern entsteht, spielt eine maßgebliche Rolle bei der Urteilsfindung. Dazu sagte Höfs, dass die Kinder keine erheblichen psychischen oder körperlichen Verletzungen erlitten haben. Die Taten waren also zwar sexueller Natur, führten aber nicht zu erheblichen, möglicherweisen lebenslangen Traumata.

Fazit:

Es ist durchaus verständlich, dass solche Taten Empörung hervorrufen. Wenn dann die Taten und das Urteil nur nüchtern in einem kleinen Artikel zu lesen sind, möchte sich der Mob am liebsten Fackel und Mistgabel schnappen, um Lynchjustiz zu üben.
Glücklicherweise leben wir nicht im Mittelalter, sondern in einem Rechtstaat. Viele Urteile sind oftmals für den durchschnittlichen Zeitungsleser nicht nachvollziehbar, Aufreger sind da vorprogrammiert. Wenn man sich aber genauer mit einem Urteil befasst, kann man auch nachvollziehen, warum es so ausfiel, wie es ausfiel. Warum einem Täter nicht gleich „der Schwanz abgeschnitten wird“, sondern warum er Bewährung bekommt.
Gerichte arbeiten im Allgemeinen sehr sorgfältig, wenn es um Strafbemessungen, insbesondere bei Jugendlichen angeht. Insofern muss man dem Gericht, welches auch noch zusätzliche Sachverständige und Psychologen hinzuzieht, einfach mal Glauben schenken. Die haben nun mal mehr Erfahrung mit solchen Fällen als Otto Normalverbraucher, der keine Hintergrundinformationen zu einem Fall hat.
Man darf sich über Urteile mokieren. Das ist richtig und sogar wichtig. Dann sollte man sich aber auch die Mühe machen, sämtliche Fakten zu erfahren, um ein Urteil besser verstehen zu können. Ansonsten ist man nur der User mit Fackel und Mistgabel.

Soweit so gut. Es ist alles geklärt, möchte man denken. Dem ist leider nicht so. Denn die User interessieren sich nicht für die Hintergründe, sondern wollen lieber in Wutbürgermanier draufhauen und Schwänze abschneiden. Drei Kreuze, dass die Betroffenen nicht namentlich benannt wurden! Selbstverständlich bin ich dafür, dass echter Missbrauch entsprechend bestraft wird und echte Opfer entsprechend betreut und nicht verhöhnt werden - sofern sie nicht durch Medien und Wutbürger erst zu Opfern gemacht werden. DAS ist nämlich der eigentliche Hohn!

Hierzu zwei Beispiele aus meinem näheren Umfeld:

1. Beispiel: Ein siebenjähriger Junge wurde eine Woche nach der Einschulung von der Mutter einer sechsjährigen Schulkameradin wegen sexueller Belästigung angezeigt, weil er unter ihren Rock gefasst und gesagt hat: "Du hast eine Vagina und ich habe einen Penis." Das Mädchen erzählte daheim davon, die Mutter des Jungen wurde in die Schule zitiert und es gab extrem peinliche Aussprachen. Sogar ein Schulverweis stand im Raum, weil sich die Mutter des Mädchens (eine einflussreiche Schnepfe mit Fühlern ins Rathaus) extrem echauffierte und das seelische Wohl ihres Kindes gefährdet sah. Na, wie werden sich wohl die Mutter und der Junge gefühlt haben?

Und jetzt stellt euch die ganze Szenerie anhand eines Zeitungsschnipsels vor!

2. Beispiel: Als ich 13 war veranstaltete mein Lieblingscousin (er war 16 oder 17) mit mir "Doktorspiele" (zeigen, vergleichen, anfassen) - bei Gelegenheit, wenn er bei uns zu Besuch war. Fand ich total spannend, das war unser Geheimnis. Wir unternahmen ansonsten "normale" Dinge wie Kinobesuche, Comiclesen und im See baden. Als ich 17 war, hatte ich mit ihm einvernehmlichen Sex. Kurz darauf zog er in eine andere Stadt und wir hatten keinen Kontakt mehr. Wäre davon etwas rausgekommen, hätte es auch über ihn solch einen Zeitungsartikel gegeben.

Ich hatte weder Albträume noch habe ich mich jemals als Opfer gefühlt! 

Meine Meinung: Ein gesundes Selbstbewusstsein, das man bereits seinen Kindern vermitteln kann, ist äußerst hilfreich, um harmlose Ereignisse nicht zu Straftaten hochzustilisieren. Eine gesunde Skepsis und ein gesundes Rechtsempfinden sind ebenfalls nützlich, um echte Straftaten zu erkennen oder im Vorfeld vermeiden zu können. Sicherlich gibt es in einem Rechtsstaat auch Fehlurteile, die kritisch hinterfragt werden dürfen. Doch selbsternannte Rächer und geifernde Volksrichter braucht kein Mensch. Also, Augen auf und Hirn einschalten.

Träumt schön!

Traumzauberhafte Grüße, Claudia




10 Kommentare:

  1. Ja, Lecker Inzest, weiter so mit den Geständnisse. Gibt ja auch sonst keinen mit dem man schlafen könnte, als den eigenen Cousin.

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    1. Danke für Ihre lecker unsachliche Meinungsgülle, "Marvin" aka verklemmter Kleingeist. Was Inzest bedeutet, sollten Sie nochmal googeln. Und nein, zu dem Zeitpunkt war wohl grad kein anderer verfügbar.

      Gruß, Claudia

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    2. Mensch Frau Göpel, das hast du jetzt falsch verstanden, der Marvin wäre parat gewesen und du nimmmst das Angebot nicht mal wahr :)

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    3. oh, sorry. Aber wohl besser für ihn, denn einen wie Marvin hätte ich vermutlich wegen Missbrauch angezeigt.

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  2. Hi!

    Sehr gut geschriebener Artikel. Ich selbst kämpfe in meinem Umfeld gegen die tägliche Ignoranz und Dummheit selbst in meiner eigenen Familie, gegen das unkritische Konsumieren und weiterverbreiten von Meinungen OHNE kritisches Hinterfragen und die Leichtgläubigkeit mancher Mitmenschen.

    Deshalb ist es schön zu sehen dass man nicht alleine mit dem Wunsch nach Sachlichkeit und Vernunft steht. Es war erfrischend, zur Abwechslung mal einen Artikel in dieser Tonart zu lesen.

    Viele Grüße,

    Thilo

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    1. Hi Thilo,

      ja, man könnte täglich über die Unvernunft der Menschen berichten, ich mach's nur gelegentlich. Danke für die erfrischend ehrliche Wortmeldung - ich hätte sonst nie den Eximum-Blog entdeckt. :)

      Liebe Grüße, Claudia

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  3. Liebe Claudia, du sprichst mir aus der Seele. Das "schlaue" Gelaber von Leuten ohne einen Schimmer von Kenntnissen geht mir extrem auf die Nerven. Aber man sollte gegenhalten, damit am Ende nicht die Schreihälse, die am liebsten selbst Recht sprechen würden, die Oberhand behalten.
    Liebe Grüße, Ina

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    1. Liebe Ina,

      danke für Deine Worte. Leider gibt es reichlich Seiten (aktuell amüsiere ich mich grad über die rotzblödfrechen Netzfrauen), auf denen unzählige blauäugige Menschen als Klickschafe Werbeinnahmen für die Betreiber generieren. Damit es so aussieht, als würden sie nur Gutes tun, posten diese selbst mit mehreren Fake-Accounts Selbstbeweihräucherungskommentare (neben denen der unzähligen Verblendeten) und löschen rigoros jede noch so kleine Kritik. Mimikama wird übrigens als Trollseite bezeichnet, die der wichtigen Arbeit der Netzfrauen nur schaden will. :)

      Liebe Grüße, Claudia

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  4. Ich rege mich auch dauernd auf, wenn ich so nen Unfug lese. Meine Freunde bekommen dann oft nen Link zu Mimikama wo sie dann nachlesen können, was für nen Schwachsinn sie da eigentlich teilen.

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